Reiseberichte 2004

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Oslo & Spitzbergen

April 2004: Wie angekündigt, führte mich die Wintertour 2004 an Ostern - wie könnte es auch anders sein - wieder nach Spitzbergen. Doch halt, vorher verbrachte ich zwei Tage in Oslo. Natürlich reichen zwei Tage nicht aus, um die Stadt richtig kennen zu lernen, aber ich hatte genug Zeit, mir die Festung Akershus anzusehen, auf Bygdøy verschiedene Museen zu besuchen und viele Fotos vom Rathaus und dem Stortinget zu machen.

   

Spitzbergen: Nachdem schon der März 2004 der drittwärmste März seit 1912 war, war es auch im April nicht kalt. Dafür stürmte es aber an umso mehr Tagen. So kam es eben, dass meine erste viertägige Scootertour an die Ostküste anders endete als vorgesehen.

Am ersten Tag lief alles wie geplant, das Wetter war sonnig, das Fahren problemlos. Nach der ersten Übernachtung in Barentsburg ging es weiter nach Westen, da wir die zweite Nacht auf Kapp Linné verbringen wollten. Gegenüber dem Vortag war es allerdings deutlich windiger - das Wetter hatte sich verschlechtert.
Die Fahrt bis dahin verlief trotz der nicht so guten Sichtbedingungen ohne größere Zwischenfälle. Im Laufe des Tages verschlechterten sich die Sichtverhältnisse doch derart, dass wir die Erkundung der Nordenskjøld-Küste abbrechen mussten. Daraufhin erkundeten wir die Umgebung von Kapp Linné, in der sich ebenso gute Fotomotive finden ließen. An eine Befahrung des Fridtjovbreens, um zum Van Mijenfjord zu gelangen, war unter diesen Umständen leider nicht zu denken.

   

Am dritten Tag steigerte sich der Starkwind noch weiter und erreichte Sturmstärke - die Nadel des Windmesser der Wetterstation pendelte bereits morgens um die 40 Knoten-Marke, die Spitzen lagen bei 45 Knoten (Windgeschwindigkeit: zwischen 75 und 85 km/h). Die Sicht war zeitweise durch die aufgewirbelten Eiskristalle auf kurze Entfernungen beschränkt. Dennoch konnten wir Richtung Osten starten. Unser Tagesziel war das vom Eis eingeschlossene Boot im Tempelfjorden. Doch unterwegs steigerte sich der Sturm zum Orkan. Der Whiteout trug seinen Teil dazu bei, dass das Fahren nicht viel Vergnügen bereitete. Als die Sichtweite zum Teil unter fünf Meter betrug, stoppten wir bei der Semmelbu im Semmeldalen. Die Nothütte war jedoch bereits mit vier Studenten belegt, die ihre Skitour abbrechen mussten. Also versuchten wir weiterzufahren, was sich aber als zu riskant erwies. Aus diesem Grund kehrten wir nach einigen Kilometern um, um wieder zu der Hütte zurückzukehren. Als Nothütte bezogen wir die größere der beiden Hütten, die Telenor gehört und eigentlich gar keine Nothütte ist. Wir wollten lediglich ein paar Stunden abwarten, in der Hoffnung, der Orkan würde nachlassen. Gegen Abend wurde jedoch klar, dass sich unsere vage Hoffnung nicht erfüllen würde und wir die Nacht in der Hütte zu verbringen hatten. Der Orkan nahm derart an Stärke zu, dass im Freien das Stehen zeitweise Probleme bereitete. Die Windgeschwindigkeit erreichte Werte von bis zu 180 km/h, in Höhenlagen sogar mehr.

   

Erst am darauf folgenden Tag ließ der Sturm um die Mittagszeit so weit nach, dass wir an eine "Ausgrabung" der Scooter denken konnten. Nach zwei Stunden Arbeit konnten wir unter allerdings immer noch schlechten Sichtbedingungen starten - jedoch nicht wie geplant zur Ostküste, sondern zurück nach Longyearbyen, da der Sturm noch weiter anhalten sollte. Es wäre zu gefährlich gewesen, unter diesen schlechten Wetter- und Sichtverhältnissen das Erreichen der Ostküste zu erzwingen. Die Studenten in der Nachbarhütte, die wir nach Longyearbyen mitnahmen, waren über die Mitfahrgelegenheit auf den Scootern sehr erfreut.

Der Transfertrip für Skitouristen an die Ostküste am nächsten Tag entfiel aufgrund der schlechten Bedingungen.

An Ostermontag unternahm ich eine Schlittentour mit Huskies. Wir teilten uns zu zweit einen Schlitten, den wir abwechselnd fahren mussten. Eigentlich war diese Tour meinerseits als "Übung" für die anschließende dreitägige Hundeschlittentour gedacht. Jedoch verstand der Tourenanbieter unter dieser Mehrtagestour eine Skitour, bei der unser Gepäck mit dem Hundeschlitten transportiert wurde. Auch wir wurden von den Hunden gezogen. Mein Problem bestand eigentlich "nur" darin, dass ich bis dahin in meinem Leben noch nie auf Skiern stand. Meine größte Sorge bestand nun darin, wie ich diese drei Tage überstehen sollte.

   

Am ersten Tag lief alles etwas träge und langsam, da zum Glück nicht nur ich des öfteren im Schnee oder oft auch auf dem Eis landete, sondern auch die beiden anderen Teilnehmer. Unser norwegischer Guide Kjetil war jedoch auch nicht dadurch aus seiner Ruhe zu bringen. Das Highlight des Tages war die Erkundung einer Eisgrotte auf den Grund des Gletschers im Bolterdalen. Was für ein Gefühl, ca. 20 Meter Eis über sich zu haben! Nachdem wir uns darin erholt hatten, schafften wir sogar noch den Anstieg vom Gletscher hinauf zum Bolterskardet, um am Rand eines kleinen zugefrorenen Sees unser Camp zu errichten.

   

Nach einer sehr guten und etwas längeren Nacht gelang das Skifahren am zweiten Tag schon deutlich besser. Auch klarte der Himmel etwas auf, dass zwischendurch die Sonne immer wieder zum Vorschein kam. Da wir aber noch immer nicht besonders fit im Skilaufen waren, beschlossen wir, durch das Tverrdalen in das breite Reindalen zu fahren, um uns dann wieder im Gangdalen Richtung Norden zu wenden. Im südlichen, noch breiteren Abschnitt des Gangdalen suchten wir uns abseits der Scooterroute einen ruhigen Platz für unser zweites Camp.
Von dort aus führte unser Weg am dritten Tag durch das Gangdalen, über den Gangskardet, durch das Todalen und das Adventdalen zurück ins Bolterdalen zur Hundestation.

    

Alles in allem war diese Wintertour bis jetzt die anspruchsvollste meiner Touren. Dennoch bin ich froh, alles so erlebt zu haben. Ich war mir im Voraus absolut bewusst, dass ich mich in die winterliche Arktis begebe und war mir ebenso darüber im Klaren, dass dort die Wetter- und Eisbedingungen das Geschehen bestimmen. Als wir in der Nothütte festsaßen und auf ein Nachlassen des Sturmes warteten, dachte ich daran, dass eines der ersten Dinge, die ein Polarfahrer zu lernen hat, das Wartenkönnen ist. Das Besondere daran ist, dass man im Voraus schließlich nie weiß, wie lange man in einer solchen Situation festsitzt und wann es wieder weiter geht. Beruhigt habe ich festgestellt, dass mir das Warten überhaupt nicht schwer fiel.